1. Einleitung
Adipositas ist eine plurifaktorielle, chronische Krankheit. Genetische, epigenetische und erworbene Faktoren bestimmen den jeweiligen, oft sehr unterschiedlichen Phänotyp der Adipositas. Die über Jahrzehntausende entstandenen und überwiegend polygenetischen Dispositionen sichern der eigentlich mangelgeprägten Menschheit Überleben und Vermehrung. In den letzten Dekaden des ausgehenden 2. Jahrtausends haben sich epigenetische und äußere, erworbene Faktoren fundamental und zudem auch global verändert. Damit entwickelte sich Adipositas zu einer Krankheit pandemischen Ausmaßes.
Die dysproportionale Vermehrung von Fettgewebe ist das Charakteristikum der Adipositas schlechthin. Verteilungsmuster und metabolische Einflüsse des Fettgewebes, sowie Zeitpunkt und Schweregrad von mitunter tödlich verlaufenden Folgekrankheiten werden durch Genetik und Epigenetik gesteuert. Adipositas ist keine global einheitliche Krankheit, sondern ein ethnisch geprägter Phänotyp vieler genetischer Grundformen. Die volatileren exogenen Adipositasfaktoren (u.a. Bewegungsreduktion und Nahrungsüberangebot) und die epigenetisch aktiven exogenen Faktoren sind global gesehen uniformer.
Als chronische Krankheit mit genetischem Hintergrund ist Adipositas nach dem aktuellen Kenntnisstand nicht heilbar, aber behandelbar. Die Bestrebungen staatlicher wie privater Gesundheitsorganisationen zielen auf eine frühzeitige Prävention von Übergewicht und Adipositas ab.
Die auf mehreren gesellschaftlichen Ebenen ansetzende Prävention bemüht sich mit großem volkswirtschaftlichem Aufwand um eine Modifikation der exogenen Faktoren. Unser Bemühen um die Behandlung bereits Betroffener, an Adipositas Erkrankter, steht nicht in Widerspruch zur Prävention und ersetzt sie nicht.
Die Bürde der Grunderkrankung und ihrer Folgekrankheiten (Tab. 1) beeinträchtigt in großem Masse Körper, Geist und Seele, sofern keine Behandlung erfolgt. Die Form und der Aufwand der Adipositas-Behandlung unterliegen einer Vielzahl ethischer Fragen an die Gesellschaft, an Betroffene, an die Solidarität Nicht-Betroffener und an alle Akteure im Umfeld dieser Krankheit.
Die meisten konservativen Behandlungsprogramme können die Fettmasse weder ausreichend noch anhaltend senken. Oft ist ein Therapieabbruch von einer überschießenden Fettgewebe-Akkumulation (Rebound) gefolgt und kann die späteren Bemühungen um Fettreduktion beeinträchtigen (metabolische Narbe).
Die chirurgische Veränderung der gastrointestinalen Anatomie und Funktion zwecks Adipositasbehandlung begann Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Größe und die metabolischen Folgen des ausgedehnten Weichteiltraumas am offenen Abdomen waren jedoch mit hoher Morbidität und Letalität behaftet. Erst die wenig traumatisierende, laparoskopische Chirurgie zu Beginn des letzten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts machte die bariatrische Chirurgie zur bisher wirksamsten, zweckmäßigsten und wirtschaftlichsten Behandlungsform der Adipositas selbst, sowie zwei ihrer wichtigsten Folgeerkrankungen: Diabetes mellitus Typ II und Dyslipidämie. Die bariatrisch-metabolische Chirurgie ist aktuell die nachhaltigste Behandlungsform der Bariatrie.
Zur vollständigen, integralen bariatrischen Behandlung gehören nicht allein viszeralchirurgische und endokrinchirurgische Verfahren, sondern im weiteren Verlauf auch rekonstruktivchirurgische Interventionen.
Optimale Erfolge und die langfristige Erhaltung des Resultates bei voller Gesundheit werden aber erst durch ernährungs-, bewegungs-, psycho- und soziotherapeutische Behandlung im Rahmen einer langzeitigen, lebenslangen Betreuung möglich………
Die kompletten Richtlinien hier zum PDF-Download in deutscher, italienischer und französischer Sprache: